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69,3° Nord

Vor ungefähr zweieinhalb Jahren sind wir nach Finnland geflogen, um einmal im Leben Polarlichter zu sehen. Wir haben auch tatsächlich Glück gehabt, aber seitdem finde ich, zweimal wäre auch toll. Unsere Freunde Eric & Ellen haben wir damit auch angesteckt, also haben wir uns jetzt zu viert auf den Weg nach Norwegen gemacht, genauer gesagt an den Storfjord anderthalb Autostunden entfernt von Tromsø.

So ganz entspannt, wie wir es gerne gehabt hätten, war die Anreise nicht. Dafür, dass es eigentlich gar nicht so weit ist, ist es ganz schön langwierig. In München haben wir schon eine Stunde im Flugzeug warten müssen, bis wir überhaupt starten durften. Den Anschluss in Bergen hätten wir dadurch beinahe verpasst: wir mussten erst ewig aufs Gepäck warten, dann Zoll, Gepäck wieder aufgeben, Sicherheit und rennen, damit uns ein genervter Typ am eigentlich schon geschlossenen Gate persönlich aufs Rollfeld zum Flugzeug begleitet. In Tromsø hatte Erics Koffer nur noch drei Rollen, was ihn dann weitere Zeit am Beschwerdeschalter gekostet hat, aber die konnten wir nutzen, um unser Auto abzuholen. Womit wir bei der nächsten Beschwerde wären.

Wir haben das erste Mal im Leben ein Elektroauto. Cool, dachten wir, sauber, schnell und hier viel günstiger als die klassischen Autos. Aber dafür ist das Ding halt leider auch ein Computer... Ich und Computer sind nicht unbedingt beste Freunde, und so hat das Teil schon auf der Hinfahrt zu unserem Haus angefangen, zu nerven. Plötzlich hat es angefangen, aus heiterem Himmel heraus über eine eingebaute SOS-Funktion einen Notruf absetzen zu wollen. Da wir (zum Glück) fast nie auf der Strecke irgend eine Netzverbindung hatten, hat das nicht geklappt, was das Ding aber nicht davon abgehalten hat, es eine Stunde lang ununterbrochen zu probieren. Außerdem hat es ein riesiges, grell beleuchtetes Display und im ganzen Auto verteilt Ambience-Beleuchtung, was es richtig anstrengend macht, raus auf die dunkle Straße zu gucken. Zum Glück kann man die Beleuchtung ausschalten. Das Display auch, aber dann hat man halt kein Navi mehr.

Laden ist auch nicht so einfach, wie ich dachte. Grundsätzlich gibt es mehr als 20 verschiedene Betreiber von Ladesäulen, die alle eigene Apps brauchen, um da laden zu können, einfach mit Karte zahlen ist ja so was von gestern. Unser Autovermieter hat uns eine App vorgeschlagen und zum Glück auch gleich eingerichtet, die von sehr vielen akzeptiert wird. Trotzdem mussten wir erst noch kapieren, wie das funktioniert, die Bedienung der Ladesäule und auch die Bezahlung geht nur darüber. Und ehrlich gesagt, auch eine Reichweite von 300km ist hier oben in der Einsamkeit nicht gerade viel.

Dafür haben wir ein richtig cooles Haus. Es ist sehr gemütlich, hat alles was wir brauchen und sogar Sauna und Whirlpool. Der Pool steht auf der Terrasse mit Aussicht auf den Fjord und ist immer schön auf 35 Grad geheizt. Am Sonntag hatten wir noch den ersten halben Tag schönes Wetter, kalt, aber sonnig. Es hat schon was, bei ungefähr 0 Grad in dem dampfenden Wasser zu sitzen und auf die verschneiten Berge zu schauen.

Jetzt ist das Wetter so, wie es sich für Herbst jenseits des Polarkreises gehört: Regen, Sturm, tiefhängende Wolken und Temperaturen knapp über 0 Grad. Sehr kuschelig im Haus, aber schlecht für die Mission Nordlichter. Dafür hatten wir in der ersten Nacht, als wir eigentlich noch auf dem Weg vom Flughafen zur Hütte waren, großes Glück. Alle Mitfahrer haben verzweifelt versucht, das Auto zum Schweigen zu bringen, als ich plötzlich einen leicht helleren Streifen am Himmel gesehen habe. Und tatsächlich, als wir zehn Minuten später endlich einen Platz zum Anhalten gefunden hatten war eine spektakuläre Show im Gange. Mehr als eine halbe Stunde lang haben die Lichter am Himmel getanzt, überall um uns herum, es war wunderschön.

Gestern haben wir uns nochmal auf den Weg gemacht, die ganze Strecke nach Tromsø mal bei Tageslicht zu sehen. Lohnt sich, die Landschaft ist toll.

Es war dann auch nicht mehr wirklich hell als wir endlich in Tromsø waren, aber das passt auch zum Gesamtbild mit eiskaltem Wind, der einem den Regen ins Gesicht peitscht. Wir konnten nicht viel mehr machen, als die Eismeerkathedrale besichtigen und ein bisschen durch die Souvenirläden bummeln, die es Dank der tausenden Kreuzfahrttouristen zuhauf gibt.

Am Ende hatten wir dann noch ein echtes Déja Vu: Wenn das Wetter schlecht genug ist und es irgend eine Statue ganz weit draußen zu sehen gibt, machen wir das. So wie die Meerjungfrau in Kopenhagen, wo wir in kaltem Regen ewig mit dem Fahrrad hingefahren sind nur für das obligatorische Foto, sind wir das hier zu dem Dackel gewandert, der mit traurigem blick am Ufer steht und wartet, dass sein Herrchen zurückkehrt.

2 comments

Wie schön, dass ihr wieder schreibt und tolle Bilder macht. Wo ist das Herrchen denn hin? Und wer wohnt im Nebenhaus?

Das Herrchen ist leider verschollen, ich befürchte der Dackel wartet umsonst. Und im Nebenhaus wohnt niemand, ist uns zu kalt nachts bei Minusgraden von da aus aufs Klo zu laufen. Dann lieber Matratzen unterm Dach.

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